19. Telemed-Konferenz, Berlin

Aufgrund des für mich derzeit spannenden Themas eHealth und Telemedizin besuchte ich die 19. Telemed-Konferenz in Berlin  mit dem spannenden (?) Titel “Dokumentation und Archivierung, Haftungsfragen und Patientenrechte in der Gesundheitstelematik und Telemedizin”. Die Telemed ist eine kleine, aber feine eher national ausgerichtete Konferenz, die vom  TMF (Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V.) veranstaltet wird.

Medizininformatik – Abgrenzung, Ausbildung und Chancen

Die Konferenz begann mit einer Session über die Ausbildung für Medizininformatiker. Derzeit entstehen viele neue FH- und Uni-Studiengänge mit unterschiedlichen Spezialausprägungen, z.B. mit Fokus auf Organisation oder Wirtschaft. Der generelle Tenor ist, dass medizinische Informatik mehr als Medizin plus Informatik ist, die Abgrenzung zu verwandten Bereichen wie Medizintechnik und Bioinformatik aber manchmal schwierig ist. Derzeit werden in Deutschland rund 500 Personen pro Jahr Medizininformatiker, Jobs gäbe es mehr – lediglich 9% der IT-Stellen in den deutschen Kliniken sind mit Spezialkräften besetzt.

Auch in Wien und Umgebung gibt es viele Möglichkeiten, medizinische Informatik zu studieren: an der Technischen Universität, der medizinischen Universität, dem FH Technikum, dazu gibt es noch MBA-Programme der medizinischen Universität und der Donauuniversität Krems.

Datenschutz und Patientenrechte

Nach dem praxisorientierten Einstieg wird es thematisch heißer. Die EU-Verordnung zum Datenschutz kommt bald (EU-DSGVO; informeller Kurzüberblick, Kontroversen hier und hier). Der Abgeordnete zum europäischen Parlament Jan Phillip Albrecht (Deutsche Grüne) ist Beauftragter für Deutschland für diese Thematik und führt einen empfehlenswerten Blog über die aktuelle Entwicklung. Auch das nächstes Jahr voraussichtlich in Deutschland in Kraft tretende eHealth-Gesetz (das allerdings mehr eine Sammelband der bisherigen Judikatur zu diesem Thema darstellt) ist in aller Munde – auch eingeladene Verantwortliche des Ministeriums äußern sich dazu nicht näher.

Ein paar interessante Fakten wurden diskutiert. Pseudonyme Daten werden im Gegensatz zu anonymen als personenbezogene Daten betrachtet und fallen somit unters Datenschutzgesetz. Die Frage, ob dies auch zutrifft, wenn der Schlüssel nicht bekannt ist, wurde nicht eindeutig beantwortet (tendenziell fallen sie nicht unters DSG). Medizinische Apps, die von Ärzten ausgegeben oder für Ärzte gedacht sind, sind Medizinprodukte während Apps für Patienten unter den Begriff Gesundheitsapps fallen und somit MPG-befreit sind. In beiden Fällen verarbeitet man jedoch unter Umständen Gesundheitsdaten.

Die wachsende Popularität elektronischer, persönlich geführter Patientenakten (PHR) bedingt früher oder später die Frage, ob ein Arzt Daten des Patienten “ablehnen” kann. Dieser Frage zugrunde liegt die Angst vor einer Datenflut aus für den Arzt weniger bedeutenden Informationen. Die Antwort darauf: ja, der Arzt kann diese Daten ablehnen. Die empfohlene Herangehensweise: “überfliegen, wichtiges herausfiltern”.

Beweiskraft gescannter Daten

Nach einem Exkurs in die Welt der medizinischen Semantik und der Forderung nach internationalen Standards wurde ein interessantes Projekt präsentiert: ersetzendes Scannen. Eine RESISCAN genannte technische Richtlinie liefert Vorgaben für möglichst sicheres Scannen und Verarbeiten medizinischer Dokumente. Dieser Richtlinie liegt keine eindeutige rechtliche Lage zugrunde, eine Umsetzung der Prozesse sollte aber vor Gericht als “best-practise” akzeptiert werden. Viele deutsche Kliniken lassen ihre Dokumente nach dem Scannen vernichten. Für dieses Vorgehen gilt selbiges, es ist rechtlich nicht eindeutig geregelt wobei eine Juristin ersetzendes Scannen als eher nicht rechtskonform einstuft.

Verschiedene Arten der digitalen Signatur, das deutsche Pendant der “Bürgerkarte” und einige konkrete Projekte von Forschungsgruppen und Industrie wurden vorgestellt.

Insgesamt war es eine gelungene Veranstaltung – nächstes Jahr gerne wieder.

Nähere Infos zur Messe:
http://www.telemed-berlin.de/
Programm (PDF)

Keywords: IFHIMA/AHIMA, EFMI, EU-DSGVO, IHE (XDS, PIX, HLA7), DIN 22600, DIN 27789, „Artikel 29“, SNOMED CT, LOINC, ICD10-GM, ICF, UCUM, ISO 11072-10101, CHA, EuroPriSe

 

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